coffee & prejudice
Foto, Jessica Huber
theater theater
entwickelt im Rahmen des PAZZ Performing Arts Festival in Oldenburg
Welche Vergehen trauen Sie einem Menschen zu? coffee&prejudice lädt Sie ein, Ihre eigene Urteilskraft bei einer 1:1 Gegenüberstellung zu testen.
Das Kollektiv MERCIMAX befasst sich seit seiner letzten Theaterproduktion mit dem Thema der Gegenüberstellung. Es benutzt das Format nicht als kriminalistische Milieustudie, sondern als theatrale Metapher einer Beurteilungssituation. MERCIMAX spielt mit der Frage, wieviel Information es braucht, bis eine Person verdächtig erscheint und welche Umstände das Urteil des Zuschauers bilden. coffee&prejudice ist eine performative Installation für einen Zuschauer/eine Zuschauerin und dauert 15 Min. Die beteiligten Komplizen wurden vor Ort gecastet.
Which stories about past misdemeanours do you believe is a person capable of? coffee&prejudice invites you to test your powers of judgement live in a 1:1 confrontation.
The MERCIMAX collective has been exploring identity parades in its most recent theatre production. This format is used not as a criminalist study of a community but as a theatrical metaphor of a situation where judgement is required. MERCIMAX plays on the question of how much information is needed to make a person appear suspicious and what situation is created by an outsider’s judgement. coffee&prejudice is a performative installation for one spectator and lasts 15 minutes (German or English). The participating ‘accomplices’ are cast on the spot.
coffee&prejudice may be shown in a gallery, an entry hall, a "real" living room or kitchen.
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10.-11.Mai 2014, Theaterfestival Zeitgeist, Washington DC
eine Umsetzung mit Komplizen aus Washington DC
12. Mai 2014, Symposium, Georgetown University, Washington DC
The Performer/Audience Relationship: Politics, Intimacy, and the Barriers Between Private and Public
19.+22.Mai 2013, Theaterszene-Europa-Festival, Studiobühne Köln
23.-24.Februar 2013, HAU 1, Berlin
14. Juli 2012, Galerie Substitut, Berlin
21.-29.April 2012, PAZZ Performing Arts Festival, Oldenburg
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* Kulturelle Auszeichnung der Stadt Zürich (2012) für die Produktion Die Gegenüberstellung und ihre Varianten 8:8-Die Gegenüberstellung und coffee & prejudice
Mit Deutschland: Tom Benke, Käte Brennecke, Eva Gagel, David Orwoll, Carola Papke, Loïc Schröder
USA: Katrina Clark, Sarah Strasser, Ruth Neaveill, Samip Raval, Anne Thomas, Jim Zidar
Konzept & Umsetzung Karin Arnold, Jessica Huber
Ton Mischa Robert
Unterstützt durch PAZZ-Festival Oldenburg, Stadt Zürich Kultur
Pressestimmen
12. Mai 2014, DC Theater Scene, Washington DC
"By far the loveliest 20-minutes or so I spent at the Zeitgeist, Coffee & Prejudice tests the limits of what can be considered “participatory.” Developed and presented by Swiss company mercimax, Coffee & Prejudice is as intimate as theater can get, inviting audience members to connect one-on-one with a performer. Audience members are seated in one of five curtained private booths set up in the 2nd floor event space at the Goethe. Within my booth were two chairs, a table, a set of headphones, and mixers for the coffee I’d been invited to pour myself as I waited my turn. I was instructed to sit down, put on the headphones, enjoy my beverage, and wait.
Shortly, I was joined by Katrina Clark who silently took the opposite chair. Clark made no effort to speak or interact with me in any way beyond the inherent intimacy of sharing a table. She looked directly into my eyes, I looked into hers. Then through the headphones came Clark’s voice. Following Clark’s performance/visit/shared experience, I was joined by a succession of two other performers, each with their own intimate story to tell. Each story is presented as fact. Sometimes these facts are horrible. And thus we have the participation element of Coffee & Prejudice. Audience members must sit and be told very human, sometimes terrible stories of having sinned and been sinned against and then choose in their own minds first whether or not to believe these stories as truth or fiction, and second how we will judge our new intimate associate accordingly.
Each booth hosts three storytellers out of a six, creating a unique experience different even from other audience members. The distancing effect of the headphones, coupled with the fierce and immediate intimacy of the actor-audience relationship, makes emotional passivity impossible. I judged. Despite all attempts at intellectual remove, I listened, I heard and I judged. How dare you expose my irrational humanity, mercimax. Well done." Ryan Taylo
Juni 2013, AKT 44, Theaterzeitung Köln
"Ein einprägsames und leicht bedrohlich wirkendes Erlebnis, dass auch anregt, nachzudenken, wie man selbst vom Performer eingeschätzt wird."
29.April 2012, nachtkritik
"(...) Von den vielen kleineren Formaten seien beispielhaft zwei erwähnt: In Coffee & Prejudice wird man einzeln in eine Stube an einen Kaffeetisch geführt und bekommt einen Kopfhörer aufgesetzt. Dann kommen einer nach dem anderen drei Menschen, deren Stimmen der Betrachter oder die Betrachterin per Kopfhörer hört. Geschichten aus dem Leben der Menschen, die einem schweigend gegenübersitzen. Normale Geschichten, bizarre Geschichten, ergreifende Geschichten. Und immer versehen mit dem gelegentlich dramatisch verzögerten "Das stimmt – nicht". Oder eben doch. Die Sache mit dem Wäschefetischisten zum Beispiel, der in Kaufhäusern die Damenwäsche-Abteilung aufsucht und in der Umkleide in Büstenhalter onaniert. Stimmt. Nicht. Der Mann sitzt vor Ihnen. Schaut Sie unverwandt an. Und bis zum erlösenden "nicht" ist es dem Betrachtenden überlassen zu glauben, ob er nun diesen Fetisch hat oder nicht.(...)" nachtkritik, Andreas Schnell
23.April 2012, Cycling Trivialities
"Gleich die erste Performance, die ich gestern beim PAZZ Festival gesehen habe, hat mich unheimlich gerührt. MERCIMAX heißt die Gruppe, die mit "coffee&prejudice" eine ganz wunderbare, intime Installation nach Oldenburg gebracht hat. Alleine an einem Kaffeetisch sitzend, wird man nach und nach von einzelnen - stummen - Performern besucht. Deren Geschichten, deren Geständnissen lauscht man über Kopfhörer und betrachtet dabei sein jeweiliges Gegenüber. Die bestehende Nähe, nur über einen Tisch hinweg, lässt verstohlene Blicke gar nicht zu. Dieses eins zu eins entwickelt sich schnell zu einer persönlichen Interaktion zwischen Zuschauer und Performer, das vollkommen ohne direkten Wortwechsel auskommt.
Merkwürdig mag das Gefühl für beide sein, einem Menschen gegenüber zu sitzen und ihn wortlos anzustarren, doch die - im Oldenburger Casting gefunden - Mitspieler strahlen eine solche Ruhe aus und lassen gleichmütig die unverhohlenen Blicke zu, dass man als Zuschauer beginnt, sich selbst emotional zu entblößen.
Die Gegenüberstellung erweist sich als intensives Erlebnis, das, weit weg vom Mitmachtheater, den Zuschauer und seine unmittelbaren Reaktionen zur Hauptsache macht." (Jools)
24.April 2012, junge bühne
"Ich sitze im Festivalcafé und schreibe gerade die Kritik von “Avanti Infantilitanti”. Plötzlich sitzt drei Reihen weiter die Frau die mir gerade bei “coffee & prejudice” erzählt hat, dass sie in Griechenland sieben Jahre im Frauengefängnis gesessen hat weil sie im Flughafen auf ihren Liebhaber geschossen hat - zwei Mal.
“coffee & prejudice”. ‘Kaffee und Vorverurteilung’ - und genau so war es. Ich wurde an einen Tisch in einem normalen Wohnhaus nahe der Container geführt, bekam Kopfhörer auf und durfte Kaffee trinken. Bis plötzlich jemand nach Hause kam. Ein unbehagliches Gefühl, weil man weiß, bzw. nicht weiß, wer zu wem gehört und wo man eigentlich ist. Er, ein junger Mann setzt sich nach dem er Schlüssel und Jacke abgelegt hat an den gedeckten Platz gegenüber und wenige Momente später höre ich seine Stimme aus den Kopfhörern. Ich höre ihn sprechen, obwohl sein Mund geschlossen bleibt. Ich denke es sind seine Gedanken - aber er erzählt seine Geschichte mir, den, den er mit “du” anspricht. Ich kann nicht wirklich reagieren; der Augenkontakt fällt schwer, der Kaffeelöffel vor mir wird zum Spiel- und Ablenkungsobjekt. Seine Geschichte unglaublich. Weiter geht es mit einem weiteren Mann. Die Erzählung wird immer unglaublicher. Am Ende kommt eine Frau ins Zimmer und holt aus dem Schrank Kekse für mich - ihre Geschichte: Am unglaublichsten! (Siehe oben.)
Das Konzept: Jemand erzählt die Wahrheit - oder eine Lüge. Was bin ich bereit zu glauben, und was nicht. Doch am Ende wird aufgelöst und manchmal hofft man falsch gehört zu haben. Ich sitze einer Mörderin gegenüber. In der Performance. Und jetzt beim Schreiben. Das Schlimmste: Im Stück hatte sie ihre Hände unter dem Tisch. Zuvor holte sie aus dem Schrank Kekse. Was holt sie unter dem Tisch hervor. Die Phantasie ist auf diesem Festival mein stärkster Freund und Feind.
Jetzt geht die Frau zur Bar. Sie wirkt älter und gebrechlicher als in dem Moment in dem sie mir gegenüber saß. Dennoch fällt mir in diesem Moment auf, dass sie nichts über mich weiß. Hätte ich kein Namensschild umgehabt, wüsste sie weder meinen Name, noch das ich als “internationale presenter” arbeite. Ich überlege was sie in der Zeit, in der ich ihre Geschichte hörte, über mich gedacht hat. Umso länger ich über das Stück nachdenke, um so mehr Facetten der (zum einen Absurdität, aber vor allem der) Genialität dieser 12-minütigen Performance-/Installationsaktion.
“coffee & prejudice” - Großartig wer sich die Mühe macht und danach noch etwas Nachdenkt. Danke an die Frau die sich mir gegenüber gesetzt hat." Eric, Festivalblog
Sept 2012, Theater der Zeit
"Kann eine biografische Erzählung lügen? Erwächst der Eindruck von Authentizität vielleicht aus dem Wünsch des Betrachters, Person und Geschichte zu einer stimmigen Einheit zusammenzuführen? "coffee&prejudice", eine Arbeit der Schweizer Performancegruppe Mercimax, präsentiert im Rahmenprogramm des Oldenburgischen Performing-Arts-Festivals PAZZ, schickte den Besucher in eine irritierende Situation: Einer Fremden an einem Tisch gegenübersitzend, erzählt eine Stimme über Kopfhörer Erschütterndes über die Biografie dieser Person. Hat sie wirklich einen Mord begangen? (...)" Du bist der Nächste von Anna Opel
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